Bemerkenswertes Betriebliches Norwegisches

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Austausch ist KEIN Urlaub. Oder: Norwegen, Teil 8

Man könnte nach Lesen aller meiner Beiträge zum Thema Norwegenaustausch auf die Idee kommen, dass Norwegen ein von der Handwerkskammer bezahlter Extraurlaub für Azubis und Chefs sein könnte.

Nur für´s Protokoll hier mal ein paar Daten, die dieses Bild relativieren:

  • Der Azubi bekommt die drei Wochen nicht als bezalten Extraurlaub, sondern muss dafür zum Teil Urlaub nehmen und sich zusätzliche freie Tage durch besondere Leistungen verdienen.
  • Weiterhin muss der Stoff, der in dieser Zeit in der Berufsschule erarbeitet wird, eigenverantwortlich nachgearbeitet werden – und das mitten in der heißen Phase der Abschlussprüfung! Somit steigt übrigens auch das Risiko einer halbjährlichen Ausbildungsverlängerung enorm.
  • Wie bereits schon geschrieben, ist ein Sprachlurs mit Hausaufgaben (!) ebenso obligatorisch wie sinnvoll. Und kostet extra Zeit.
  • Für die Kostenerstattung der Fahrt und der Unterkunft ist ein ausführlicher Bericht über die Erlebnisse und Eindrücke der Azubis in Norwegen Pflicht. Und eine exakte Kostenaufstellung ist unabdingbar für die Übernahme der Verpflegungskosten.

Das alles dafür, dass er in Norwegen nicht auf der faulen Haut liegt, sondern in norwegischen Betrieben arbeitet.

Für den Tischlermeister fällt die Arbeit, die in der Zwischenzeit in der Heimat anfällt, nicht weg, sondern wartet brav bis zur Ankunft.
Mal ganz abgesehen davon, dass wir das Risiko eingehen müssen, dass Kunden auf die Ausführung ihrer Aufträge durch uns verzichten, weil wir nicht schnell genug reagieren können, da abwesend.
Eine Kostenaufstellung der Verpflegung muss hier nicht erfolgen,aber es wird nur ein bestimmter Betrag pauschal erstattet, der eher knapp gehalten ist (was im Interesse aller HWK-Beitrags- und Steuerzahler sein dürfte, also diesen Punkt bitte nicht als Jammerei verstehen). Es bleibt also noch die eine oder andere Ausgabe an den begleitenden Meistern hängen.
Der Sprachkurs ist hier zwar nicht verbindlich, bietet sich aber natürlich an und wird logischerweise ebenfalls belegt. Kostet aber ebenfalls extra Zeit.

Zu guter Letzt ist noch etwas ganz Grauenhaftes zu bewältigen, was gerade Handwerker in die Flucht schlagen könnte: Ein gewisses Maß an Papierkrieg.

Warum wir, die Mitfahrenden uns das antun, obwohl sich das alles nicht ganz so spaßig liest, wie es auf den ersten Blick erscheint?
Weil wir unseren Beruf lieben. Und weil wir neugierig sind, wie anderswo gearbeitet wird – und wie dort praktische Probleme gelöst und Tätigkeiten angegangen werden.
Weil wir neue Eindrücke und Erfahrungen sammeln wollen, die uns vielleicht (eher: ganz sicher!) persönlich und beruflich weiter bringen.

Und weil Auslandsaufenthalte kein Vorrecht für Abiturienten, Studenten, Politiker und Funktionäre sein sollten.

 

Autor

Ich bin die "Tischlerfrau": Ehefrau vom Tischlermeister, Mutter von zwei Jungs, Frauchen und Möchtegernchefin vom Tischlerhund Ember.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert